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Architektur Galerie Berlin

rbb-online Schöne neue Kunsthallen-Welt

Jana Hyner

Ein überdimensionierter Legowürfel liegt in Berlins historischer Mitte, als hätte ein riesiges Kleinkind das blau-weiße Etwas zwischen Dom und Schlossplatz vergessen. Die Irritation ist beabsichtigt, denn das Etwas ist die Temporäre Kunsthalle Berlin.

Ihre Fassade hat der Wiener Künstler Gerwald Rockenschaub mit einem blau-weißen Muster überzogen. Rockenschaubs Entwurf gehört zu den acht visionären Fassadenmodellen für die Kunsthalle, die ab dem 15. Februar zusammen mit den Bauplänen des Wiener Architekten Adolf Krischanitz in der Architektur Galerie Berlin vorgestellt werden. Die Ausstellung erlaubt einen ersten Blick auf das Konzept der Kunsthalle, die wegen ihrer quadratischen Form auch Würfel genannt wird.

Legendäre Entstehungsgeschichte

Doch fangen wir mit dem Anfang an: Ende 2007 wurde der Bau des Kunst-Würfels beschlossen. Die Temporäre Kunsthalle wird 2008 auf der Spreeinsel in Berlin-Mitte gebaut, dort, wo zurzeit die Abrissarbeiten für den Palast der Republik laufen und ab 2010 das Humboldt-Forum entsteht.

Die Idee einer Kunsthalle für Berlin ist vor zwei Jahren aus der mittlerweile legendären Ausstellung 36 x 27 x 10 im abbruchreifen Palast der Republik hervorgegangen. Legendär deshalb, weil sie gezeigt hat, wie groß der Bedarf in Berlin nach einem Ort für zeitgenössische internationale Kunst ist und dass dieser Ort trotz der vielfältigen Museumslandschaft der Hauptstadt bislang nicht zu existieren scheint. Berlin ist in den vergangenen Jahren zwar zu einer der wichtigsten Städte für Gegenwartskunst geworden, aber da das Land seit 1994 die Staatliche Kunsthalle am Breitscheidplatz abgewickelt hat, fehlt ein Ausstellungsraum, der diese Entwicklung widerspiegelt. Diese Lücke wollen Coco Kühn und Constanze Kleiner, die Initiatorinnen des „White Cube“, nun schließen und mit der Kunsthalle einen Ort etablieren, der zwischen Museen und Galerien vermittelt.

Verzögerter Start

Die Eröffnung der Temporären Kunsthalle Berlin war zunächst für kommenden April geplant, zeitgleich zur Berlin Biennale, das im zwei Jahres Rhythmus stattfindende Berliner Großereignis für Gegenwartskunst. Die Initiatorinnen sprechen jetzt vom 1. September als neuem Eröffnungstermin. Spätestens dann soll die Kunsthalle für zwei Jahre ihren Platz als Zentrum für internationale zeitgenössische Kunst in der Mitte Berlins und in unmittelbarer Nähe zur Museumsinsel behaupten. Bis dahin muss sich die Öffentlichkeit also noch gedulden, auch über das Programm der Kunsthalle ist bislang wenig bekannt geworden.

Großer Würfel

Nun verkürzt die Ausstellung in der Architektur Galerie Berlin zumindest die Wartezeit mit acht Visionen zur Fassadengestaltung, und sie gibt Einblick in die Architekturpläne von Adolf Krischanitz. Äußerlich setzt sich die Kunsthalle rigoros gegen ihre Umgebung ab, wie die Baupläne und Zeichnungen mit Ansichten des Grundrisses klar machen.

Die Kunsthalle wird als großer Würfel mit glatten Außenwänden gebaut. Das wirkt sehr schlicht und erfrischend modern im Gegensatz zum neo-barocken Pomp der Architektur im historischen Zentrum Berlins. Adolf Krischanitz, der in Wien schon zwei temporäre Ausstellungshallen realisiert hat, hat für Berlin ein pavillonartiges Gebäude entworfen, das gerade durch seine Einfachheit attraktiv wirkt.
Die Kunsthalle besteht in erster Linie aus Holz, überspannt mit einer reißfesten über ein Edelstahlseilgerüst gespannten Kunststoffhaut. Krischanitz hat mit dem Würfel, der sich gegen den konkurrierenden Entwurf der „Wolke“ durchsetzen konnte, für die spezielle Berliner Situation eine Lösung mit maximaler Flexibilität gefunden.

Der Bau ist kostengünstig, was der relativ kurzen Nutzungsdauer gerecht wird. Darüber hinaus erlauben die schnellen Auf- und Abbauzeiten eine unkomplizierte Wiederverwertung des Gebäudes an einem anderen Ort.

Fassadenmodelle: Kunst mit Signalwirkung

Außergewöhnlich an Krischanitz Konstruktion ist die Fassade der Kunsthalle, „die durch die Hand des Künstlers geschmückt werden soll“, so der Architekt. Die Außenhaut funktioniert als Ausstellungsfläche, die wechselnden Künstler die Möglichkeit gibt, die vier Seiten des Baus zu einem Außenkunstwerk zu machen. Dabei bietet die Fassade mit 56 mal elf Metern ausreichend Platz, um ein weithin sichtbares Signal für die zeitgenössische Kunst zu setzen.

Bei Olaf Nicolais Entwurf verschwindet die Kunsthalle unter einem großen Berg von Glasperlen. Jede einzelne Glasperle enthält eine LED-Leuchte, die in der Nacht zum Rhythmus von Musik oder Sprache blinkt. Und Anselm Reyle verpackt die Kunsthalle in eine glitzernde Aluminiumhaut, in der sich die Außenwelt bunt und schimmernd widerspiegelt.

Die Finanzierbarkeit entscheidet, wie viele Fassadenentwürfe tatsächlich realisiert werden können. Zwei sind geplant, erhofft werden mehr. Nur Gerwald Rockenschaubs Vorschlag ist bereits beschlossen. Schließlich wurde der Künstler auf Adolf Krischanitzs Initiative hin eingeladen. „Die beiden sind sich ja durch Wien verbunden“, betont Ulrich Müller, der Inhaber der Architektur Galerie Berlin.

Übrigens: Im Ausstellungsraum kann man die Temporäre Kunsthalle Berlin mit der blau-weißen Fassadengestaltung von Rockenschaub auf einer 3D-Animation betrachten – eine täuschend echte Illusion.