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Architektur Galerie Berlin

Fortsetzung der Architektur mit anderen Mitteln – Anmerkungen zur Monografie „Sauerbruch Hutton – Archive 2“

Sicherlich werden auch in Zukunft ambitionierte Monografien erscheinen, die sich mutig der beinahe erdrückenden Konkurrenz neuer Wissensspeicher stellen. Trotz offensichtlich stark veränderter ökonomischer und kommunikationstechnischer Rahmenbedingungen wird die Frage nach deren  Relevanz bislang jedoch kaum diskutiert. Für mich ist sie auch deshalb interessant, da es zahlreiche Parallelen zur Debatte darüber gibt, wie sich das „klassische“ Format der Architekturausstellung gegenüber den Neuen Medien verhalten soll und welche Zukunft es dafür überhaupt gibt. Vor diesem Hintergrund folgende Anmerkungen:

Die Einschätzung der Relevanz zeitgenössischer Monografien ist sicherlich stark davon geprägt, welcher Generation der Rezipient selbst angehört. Für viele von uns gehörte es zum Anfang der Karriere einfach dazu, einen guten Teil des ersten Honorars in den Erwerb wichtiger Monografien und Theoriebücher zu investieren. Das geschah mit dem Ziel einen möglichst universellen Wissensspeicher aufzubauen, aus dem man schließlich intellektuelle Befruchtung für die eigene Arbeit generierte. Vor diesem „biografischen“ Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass an dieser Stelle viele Kollegen schnell verlautbaren, eine Monografie werde nicht aus der Mode kommen. Durch unsere inzwischen schon einige Dekaden währende Suche nach dem Allgemeingültigen und Dauerhaften wissen wir jedoch, wie rasant sich Gewohnheiten ändern und scheinbar Unumstößliches plötzlich an Bedeutung verliert. Deshalb wäre es meiner Meinung nach unbedingt wichtig auch Einschätzungen von jenen zu kennen, die mit den Neuen Medien geboren wurden und für die eine Monografie bereits ein geschichtliches Format darstellt.

Wenn wir zu denen gehören, die an den Fortbestand von Monografien glauben, müssen wir darüber nachdenken, wie ihre Relevanz in einem dynamischen Kontext gesichert werden kann und ob dafür eventuell Modifizierungen notwendig sind. In der Architektur ist das zwar systemimmanent und selbstverständlich, beim Buch jedoch mitnichten. Allein deshalb kann man es gar nicht hoch genug einschätzen, dass Sauerbruch Hutton ihr frisch gedrucktes Werk nach all dem dafür geleisteten Aufwand öffentlich nach dessen Relevanz befragen. Denn nach allgemeiner Gepflogenheit gäbe es nun allen Grund dafür, die Monografie als etwas Fertiges, Abgeschlossenes zu betrachten. Das aber hat den Architekten nicht genügt, sie möchten mehr erreichen, als dass das Buch lediglich einen prominenten Platz im Bücherregal findet. Deshalb haben sie es gleichzeitig als etwas darüber hinaus Weisendes konzipiert – nämlich als Anlass für intellektuellen Austausch und Neubetrachtung, die das nächste „archive“ vielleicht einmal erweitern oder umdeuten kann. (Vielleicht bietet eine Erweiterung zum Beispiel die Möglichkeit, die unüberbrückbare Differenz zwischen realer und dargestellter Architektur zu verkleinern.) Wohlwissend, dass diese Gedankenarbeit kostbare Zeit erfordert, aber auch darauf vertrauend, dass der daraus resultierende intellektuelle Gewinn mehrdimensional ist.

Last but not least erscheint mir der in diesem Zusammenhang von Andreas Gehrke gezogene Vergleich – reading a well made book is like listening to a vinyl record – besonders wichtig. Denn dass der Informationsgehalt eines Buches im digitalen Zeitalter seine Monopolstellung verloren hat ist sicherlich ein Verlust, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten. Die globale Digitalisierung erlaubt dem Buch eine stärkere Fokussierung auf das, was es von den übrigen Medien unterscheidet: Seine physische Präsenz, seine mehrschichtige Qualität und Dauerhaftigkeit. Ähnlich wie beim bisweilen für unzeitgemäß erklärten Medium der Ausstellung kommt es darauf an, die spezifischen Eigenschaften zu nutzen und als Fortsetzung der Architektur mit anderen Mitteln zu verstehen. Das Gleiche betrifft den Inhalt: Die besten aktuellen Monographien zeigen, dass die inhaltliche Zielsetzung an Bedeutung gewinnt: Der Titel ist nicht nur Leitfaden, sondern wird gleichsam Manifest. Wie im vorliegenden Fall eben das „Archiv“: Es eröffnet dem Leser die Möglichkeit einer eigenständigen Reflektion und fordert ihn damit geradezu zur Meinungsbildung heraus.

So sehr ich den Vergleich mit der Schallplatte treffend finde, so sehr greift er nicht weit weit genug. Denn – um in diesem Bilde zu bleiben – kein Orchester und keine Band kann alleine vom Schallplattenverkauf leben. Ebenso wäre es schade, wenn nur diejenigen in besonderen Musikgenuss kommen, die einen guten Plattenspieler besitzen. Meiner Meinung nach kommt es darauf an, dass gute Qualität nicht nur Wenigen vorbehalten bleibt – womit wir bei der Frage der gesellschaftsrelevanten Qualität guter Musik (ebenso wie guter Architektur) wären. In der Frage nach der Relevanz der Monografie sehe ich auch die Suche nach einer Verknüpfung von analoger und digitaler Welt. Nur die wie auch immer geartete Synthese aus dem Besten dieser scheinbar gegensätzlichen Welten wird es ermöglichen, dass die Ideen der Avantgarde breite Wurzeln schlagen und aus der Welt eine bessere machen.

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