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Architektur Galerie Berlin

Haus Emmzett – Interview mit Friederike Meyer

Es wirkt aber aufgeräumt hier. 

Ulrich Müller: Ich kann am besten denken, wenn nicht viel herumliegt.

Wo ist Ulrich Müller zu Hause? Hier in Magdeburg oder in Berlin? 

UM: Hier und da. Hier sammle ich Energie, zum Beispiel wenn ich auf die alte Mauer der Nachbarscheune schaue und ihre Struktur studiere. Ich empfinde das als produktiven Kontrast zu dem, was ich in Berlin mache. Dort arbeite ich seit 20 Jahren, seit über zehn Jahren habe ich dort die Architekturgalerie. Da ist mein gedankliches Zuhause. Ohne Berlin könnte ich die Mauer nicht stundenlang betrachten, und ohne den Ort hier könnte ich die Galerie nicht betreiben.

Warum Diesdorf? 

UM: Meine Frau arbeitet hier. Wir sind jedoch eher zufällig durch das Dorf gefahren. Da haben wir dieses wie einen Klostergarten abgeschottete Grundstück mit der 65 Meter langen alten Bruchsteinmauer gesehen und wussten: So etwas finden wir nie wieder.

Warum haben Sie neu gebaut? 

UM: Die Sanierung der ruinösen Werkstattgebäude, die auf dem Grundstück standen, hätte das Dreifache gekostet. Außerdem haben wir das Grundstück ja nicht wegen des Bestands ausgesucht, sondern wegen der Atmosphäre durch die Mauer der Nachbarscheune.

Was war drängender, der Wunsch ein Haus für Sie und Ihre Frau zu bauen oder der, dieses Haus zu entwerfen? 

UM: Zu dem Zeitpunkt, als wir das Grundstück fanden, hatte ich schon einige Jahre lang nicht mehr als Architekt gearbeitet und eigentlich auch keine Zeit, es selbst zu planen. Deshalb fand ich die Idee interessant, zum Beispiel Peter Märkli oder AFF zu fragen. Während wir noch darüber nachdachten, kam auf einmal die Ablehnung zum Bauvorbescheid. Plötzlich musste ich mich mit der Bebaubarkeit des Grundstücks, der Kubatur des Hauses und somit auch mit den Grundrissen auseinandersetzen. Das hat mehrere Monate gedauert, und am Ende war klar, dass ich es selbst planen möchte.

Was ist für Sie an diesem Haus das Debüt? 

UM: Ich konnte erstmals wirklich alle eigenen Vorstellungen umsetzen und ich musste dabei lernen: Nichts ist schwieriger als ein Einfamilienhaus. Zugleich war es nach der eher theoretischen Auseinandersetzung mit Architektur über die Ausstellungen, die ich mache, eine gewisse Prüfung.

Wie haben Sie sich den eigenen Wünschen und Vorstellungen genähert? Es gibt Architekten, die befragen erstmal tagelang ihre Bauherren. 

UM: Wenn man zusammen lebt, kennt man die gegenseitigen Befindlichkeiten. Darüber hinaus hatten wir gemeinsame atmosphärische Vorstellungen, sonst hätten wir das Projekt nicht begonnen. Wir wollten ein möglichst einfaches, offenes Haus. Die Tiefe des Grundstücks sollte im Wohnzimmer erlebbar sein. Dann haben wir uns viele Beispiele angesehen. Durch die Galeriearbeit kenne ich natürlich viele wunderbare Projekte.

War es für Sie von vornherein klar, dass das Haus zweigeschossig wird und ein Flachdach hat? 

UM: Die Kubatur des Hauses hat sich aus der Grundstückssituation und aus unserem Raumprogramm ergeben. Wir durften nach langen Auseinandersetzungen mit den Baubehörden schließlich in der Mitte des Grundstücks bauen, aber nur exakt auf der Fläche des Vorgängergebäudes. So ist unser Grundstück jetzt in zwei fast gleichgroße Freibereiche geteilt. Die Frage nach einer anderen Dachform als der des Flachdachs hat sich an dieser Stelle gar nicht gestellt. Im Umfeld gibt es viele Häuser mit Flachdach. Wenn wir jedoch direkt an der Dorfstraße gebaut hätten, die von zum Teil giebelständigen großen alten Scheunen geprägt ist, hätten wir eine andere Lösung finden müssen.

Ihre Frau hat Sie einfach machen lassen? 

UM: Absolut. Meine Frau hat großes Vertrauen. Sie ist Ärztin, und wenn ich krank bin, vertraue ich ihr auch. Trotzdem ist es natürlich eine ideale Konstellation, wenn dem Architekten so viel Vertrauen entgegen gebracht wird. Naturgemäß gab es zahlreiche Gespräche um den unterschiedlichen Wissenstand abzugleichen. Viele Hinweise meiner Frau waren berechtigt und sind die Grundlage dafür, dass das Haus bewohnbar ist und nicht nur als gebautes Bild existiert.

Das klingt alles so einfach. Sind Sie ein Pragmatiker? 

UM: Ich versuche pragmatisch zu sein, aber das ist nicht einfach. Für sich selbst bauen ist ein irrsinniger Stress, es geht um Geld und um Zeit. Deshalb habe ich tagelang über Plänen und Zeichnungen gesessen. Wir haben viele Bereiche von den Handwerkern überarbeiten lassen, bei denen meine Frau gefragt hat: Muss das wirklich sein? Ich schätze Pragmatismus sehr, aber nur im Zusammenhang mit klaren Konditionen. Wie in der Galerie ordnet sich alles einer Idee unter.

War der Neubau auch eine Möglichkeit, eine Auseinandersetzung mit den Positionen zu führen, die Sie in der Galerie ausstellen? 

UM: Über die Arbeit mit renommierten Architekten erweitert sich der Horizont natürlich unheimlich. Meine Aufgabe bestand darin, mich von all diesen Einflüssen zu lösen. Wobei klar ist, dass jemand, der seit etlichen Jahren baut, die Dinge viel weiter entwickelt, als ich es tun kann. Was heißt wohnen für Sie? UM | Mich total entspannen. Bei Bedarf jedoch auch arbeiten. Das ist für mich ganz wichtig. Beides gehört zusammen.

Interessant, dass Sie von entspannen sprechen, weniger von einer Raumkonstellation, einer gewissen Größe oder Lage. 

UM: Ich hatte nie eine Idealvorstellung von Räumen oder einer bestimmten Lage. Je mehr Rahmenbedingungen und Zwänge es gibt, desto interessanter wird die Lösung. Anders ist es mit Materialien und Details: Sichtestrich, Stegplatten und Fenster wie Bilder in den Wänden sind Elemente, ohne die ich das Haus nicht hätte bauen wollen. Eduardo Souto de Moura hat einmal gesagt: Die Häuser in den Büchern der Architekturgeschichte sind Manifest, aber niemand lebt gern darin.

Haben Sie überlegt, dass der Architekturgalerist Ulrich Müller in einem besonderen Haus wohnen sollte, als Werbung für die Galerie?

UM: Überhaupt nicht. Ich wollte keinen bestimmten Effekt. Im Gegenteil: Ich will, dass hier fast nichts ist, nur eine Projektionsfläche für das, was ich im Kopf habe. Ich behaupte mal, da ist schon genug Unruhe.