Da Architektur per se nicht ausgestellt werden kann müssen für jede Ausstellung Artefakte gefunden werden, die ein architektonisches Konzept bzw. seine reale Ausformulierung veranschaulichen. Diese Transformation erlaubt es Überlegungen zu thematisieren, die weit über die bloße Darstellung von Gebäuden hinausreichen. Die Ausstellung wird somit zum eigenständigen Diskursformat, bei dem das Verhältnis zwischen Original und Kopie bzw. Stellvertreter immer wieder neu interpretiert werden muss.
jessenvollenweider loten dieses Potential in ihrer Ausstellung gleich auf mehreren Ebenen aus. Die erste ist der Galerieraum selbst, dessen Wände mit hellen und darüber liegenden dunklen Farbfeldern in ein „unten“ und „oben“ unterteilt ist. Diese Komposition verwandelt die Galerie in eine Art Illusionsraum. Er überträgt nicht nur die architektonische Haltung von jessenvollenweider auf die ortsspezifische Situation, sondern funktioniert gleichzeitig als atmosphärischer Rahmen für die zweite Diskursebene, die bildhafte Darstellung konkreter Bauprojekte anhand von Orten und Situationen. Diese erfolgt jedoch nicht wie üblich durch Fotos, sondern durch Bilder, die Katharina Immekus für die Ausstellung gemalt hat. Ihre Arbeiten sind selbst ein Original mit einer über das Motiv hinausweisenden Bedeutungsebene. Ergänzt wird das Setting durch den Besprechungstisch aus dem Büro der Architekten, auf dem Werkpläne von den dargestellten Projekten zum Studium ausliegen. Während der Tisch ein Stück der konkreten Arbeitsatmosphäre von Basel nach Berlin transferiert, bauen die Pläne die Brücke von der bildnerischen Interpretation hin zum konkreten Prozess der Architekturwerdung einer Idee.
jessenvollenweider wurde 1999 von Anna Jessen und Ingemar Vollenweider in Basel gegründet. Zu ihren wichtigsten Projekten zählen: Das Verwaltungszentrum Oberer Graben, St.Gallen (2012), Wohnen am Schaffhauserrheinweg, Basel (2014), und der Umbau und die Erweiterung des Hauptsitzes der Zürcher Kantonalbank, Zürich (2015). Seit 2011 lehrt Anna Jessen Entwerfen und Raumgestaltung an der TU Darmstadt, seit 2017 leitet sie die Architekturwerkstatt an der FHS St.Gallen. Ingemar Vollenweider ist seit 2006 Professor für Stadtbaukunst und Entwerfen an der Universität Kaiserslautern.