In seiner Ausstellung „Garagenland“ nähert sich Martin Maleschka dem architektonisch kaum beachteten Sujet der zahllosen DDR-Garagen aus mehreren Perspektiven: Während eine Serie von 108 Fotografien die immense äußere Vielfalt dieser auf den ersten Blick unscheinbaren Zweckbauten dokumentiert, legt eine Installation aus Garagenutensilien wie Werkzeug, Karosserieteile usw. eine Spur zu den Welten, die sich hinter den Garagentoren entfalten. Ergänzt werden die Fotos und Utensilien durch ein bauzeitliches Garagentor aus der Garagengemeinschaft „Am Plattenwerk“ in Eisenhüttenstadt. Es veranschaulicht die Innovationskraft des Besitzers zur Sicherung von Hab und Gut und zeigt gleichzeitig Maleschkas Faszination für konstruktive Details.
Denn Martin Maleschkas Blick auf das Thema „Garagen“ ist analytisch und künstlerisch zugleich. Seine Fotoserie dokumentiert nicht nur das trotz Mangelwirtschaft enorme konstruktive Spektrum der Bauaufgabe, sondern auch die damit verbundene, größtenteils auf Improvisation beruhende gestalterische Vielfalt in einem Bereich, der gemeinhin nicht als „Baukunst“ definiert wird. Die gezeigten Beispiele belegen, wie trotz politisch angeordneter Gleichmacherei – gleichsam subversiv – individuelle Schönheitsvorstellungen realisiert wurden. Denn immerhin handelt es sich bei den Garagen um die Schutzbehausung des in der DDR besonders raren Gutes „Auto“. Aber nicht nur das: Für die Mehrzahl der Ostdeutschen (und anderen Osteuropäer) erfüllten Garagen auch eine wichtige soziale Aufgabe. Sie wurden in Gemeinschaften realisiert und fungierten als Treffpunkt und Rückzugsraum, an dem man sich Überwachung und Kontrolle entziehen konnte. Aufgrund ihrer großen Anzahl eroberten die so genannten Garagenkomplexe dabei nicht zuletzt auch bauliches Niemandsland oder „ersetzten“ schlicht nichtrealisierte Sozialbauten.
Das Besondere an Maleschkas Thema ist, dass viele Garagen wegen ihrer Zweckorientierung auch heute noch im Originalzustand sind und somit ein authentisches Reservoir für bauhistorische, künstlerische und soziale Untersuchungen darstellen. Bevor sie verfallen oder boomenden Neubauvierteln weichen leistet Martin Maleschka mit seiner Arbeit einen unersetzbaren Beitrag für die Diskussion über die Facetten ostdeutschen Bewusstseins. Demontage, Verwitterung, Vandalismus und zeitgenössische Überformung generieren dabei gleichsam zukünftige Forschungsthemen.
Die Ausstellung „Garagenland“ setzt das Engagement der Galerie für den bislang weniger im öffentlichen Fokus stehenden Teil des baulichen Erbes der damaligen DDR fort. Die damit verbundenen Fragen nach der ostdeutschen Identität und einem zeitgenössischen Denkmalbegriff wurden zuvor bereits in der Ausstellung „Preservation Studio Rellensmann / Casper – Das Garagen Manifest“ (2017) und der Buchvorstellung „Jens Casper, Luise Rellensmann – Das Garagenmanifest“ (2021) thematisiert. Im Galeriegespräch zum Abschluss der Ausstellung werden sie schließlich um internationale Perspektiven erweitert (u.a. mit Natalija Yefemkina und Tinatin Gurgenidze).
Martin Maleschka (*1982) studierte Architektur an der BTU Cottbus-Senftenberg. Schwerpunkt seiner Arbeit als Fotograf, Autor, Künstler und Chronist der „Ostmoderne“ ist die architekturbezogene Kunst der DDR. Bei DOM Publishers erschien sein vielbeachtetes Buch „DDR. Baubezogene Kunst – Kunst im öffentlichen Raum 1950 bis 1990“ (2018) sowie sein „Architekturführer Eisenhüttenstadt“ (2021). Mit zahlreichen Aktivitäten für den Erhalt des baukulturellen Erbes der DDR ist er einer der wichtigsten Akteure einer Generation, die sich mit unverstelltem Blick der Baukultur eines verschwundenen Staates widmet. Nach „Aus der Schatzkammer“ (2019) ist „Garagenland“ seine zweite Ausstellung in der Architektur Galerie Berlin.