Bauwelt 36.2016
Cadavre exquis – Obra Architects aus New York in der Architektur Galerie Berlin
Von Jan Friedrich

Review

Womit anfangen? Mit dem seltsamen Ausstellungstitel „Exquisite Corpse“, vom französischen Cadavre exquis, zu Deutsch: vorzüglicher Leichnam? Nein, dazu vielleicht später. Am besten beginnt man wohl mit dem, woran der Besucher sich erfreuen kann, ohne dass er die Bedeutung des Titels entschlüsseln muss: an einem ganzen Raum voller inspirierender Skizzenblätter.
Obra Architects aus New York sind in der Architektur Galerie Berlin zu Besuch. Obra, das sind Pablo Castro (Jahrgang 1959) und Jennifer Lee (Jahrgang 1969), die seit 2000 ein gemeinsames Büro betreiben, zuvor arbeiteten beide bei Steven Holl. Bekannt geworden sind sie 2006 mit einer Installation für das MoMA PS1 in New York, dessen Hof sie einen Sommer lang mit einer gebogenen Holzkonstruktion überspannten.
Das gebaute Werk von Castro und Lee ist überschaubar, weshalb sie nicht mit einer Leistungsschau realisierter Architektur in Berlin aufschlagen (können). Eine Leistungsschau in Planung oder in Ausführung befindlicher Projekte – die durchaus möglich wäre – zeigen sie aber auch nicht. Stattdessen geben die beiden einen sehr persönlichen, im Grunde einen schutzlosen Einblick in ihre Arbeit als Architekten. Pablo Castro hat seine Skizzenbücher geöffnet. Genaugenommen hat er sie nicht nur geöffnet, er hat sie auch tatsächlich auseinandergenommen, in ­unzählige originale Blätter (keine Kopien!) voller Skizzen, aquarellierter Zeichnungen, Planausschnitte und Notizen zu persönlichen Beobachtungen, grundsätzlichen Gedanken zur Architektur oder zu Projekten von Obra.
Auf Plexiglasscheiben geheftet, die, gehalten durch hölzerne Staffeleien, von der Decke herabhängen, sind die Skizzenblätter vollständig zu sehen: Vorder- und Rückseite. Es scheint keine Ordnung zu geben, jedenfalls keine, die sich dem Betrachter unmittelbar erschließt. Es gibt keine Erläuterungen zu den Skizzen, außer den Skizzen und Notizen selbst. Man muss (besser: darf) sich seinen eigenen Weg durch die Papiere suchen. Und das mit dem größten Vergnügen.
Ach ja, die Sache mit dem geheimnisvollen Ausstellungstitel. Das finden Sie selbst heraus.