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Architektur Galerie Berlin

Bauwelt 23 / 2012 Eine unerwartet kurzweilige Angelegenheit: 34 Filme zu Projekten von Gigon/Guyer

Jan Friedrich

Da ist sie wieder, diese Unlust, die mich jedes Mal befällt, wenn eine Ausstellung keine Exponate anzubieten hat außer Bildschirmen. Zehn sind es in diesem Fall, rundherum an die Wände der Architektur Galerie Berlin gehängt. Mein Abwehrreflex ist das Produkt jahrelanger Erfahrung, die lehrt: Bildschirme in Galerieräumen verheißen langatmiges Filmmaterial, und – das ist das Schlimmste an der Sache – man hat keinerlei Möglichkeit, das Tempo zu bestimmen, in dem man sich dem präsentierten Gegenstand nähert. Eine zähe Sache.

Aber – wie immer gibt es Ausnahmen. Und deshalb sind diese Zeilen, auch wenn der erste Absatz anderes vermuten ließe, eine Empfehlung: sich ein bisschen Zeit zu nehmen, es sich auf einem der Rollhocker gemütlich zu machen (so weit man es sich auf einem Hocker gemütlich machen kann), von Bildschirm zu Bildschirm zu trudeln, sich auf die Bauten von Gigon/Guyer einzulassen. Wer Sitzfleisch hat, kann sich Kurzfilme zu 34 Projekten des Zürcher Bü­ros anschauen, vom Kirchner-Museum in Davos (1992), dem Hörsaal der Universität Zürich (1998), dem Museum und Park Kalkriese bei Osnabrück (2002), dem Verkehrshaus der Schweiz in Luzern (2009) über Einfamilienhäuser und zahllose Geschosswohnungsbauten bis hin zum 126 Meter ho­hen Bürohaus „Prime Tower“ in Zürich (2011).

„Architektur auszustellen, in anderen Gebäuden erscheinen zu lassen, ist ein eigentlich widersprüchliches Unternehmen: Die meisten Bauten kann man besuchen“, so Annette Gigon und Mike Guyer. Das Medium Film hätten sie gewählt, um die tonnenschweren Gebäude zu versammeln, sie in ihrem alltäglichen Gebrauch in den Ausstellungsraum zu „transportieren“. Und so haben sie den Schweizer Filmemacher Severin Kuhn beauftragt, ihre Bauten zu dokumentieren. Auf den ersten Blick scheint es, als habe Kuhn nichts anderes gemacht als ein Fotograf: Er filmt, verzerrungsfrei, klassische Architekturansichten.

Doch spielt er die Möglichkeiten des Films gegenüber dem Foto geschickt aus. Wenn er von einer festen Position filmt, quasi ein Standbild aufnimmt, lässt er ein Auto in eine Einfahrt einbiegen, Besucher durchs Museum laufen oder die Jalousie vor ein Fenster herunterfahren. Wenn er die Kamera doch bewegt, schwenkt er sie gemächlich, etwa so, als würde man selbst den Kopf drehen, um ei­nen Raum vollständig zu erfassen. Zu hören sind ausschließlich Originalgeräusche vom Drehort. Es erstaunt, wie leicht sich auf diese Weise das Wesen eines Gebäudes erschließt – in nur wenigen Minuten. Eine unerwartet kurzweilige Angelegenheit.