Eine monografische Architekturschau zu den Arbeiten des Zürcher Architekten Roger Boltshauser, die ohne erläuternde Texte, Planmaterial und Modelle auskommt und dennoch mehr über die Architektur erzählt, als so manch andere Werkschau, ist noch bis zum 15. Dezember in der Architektur Galerie Berlin zu sehen.
Die Ausstellung, eine Komposition aus Fotoarbeiten des Zürcher Künstlers und Fotografen Philipp Schaerers und Bronzeabgüssen von Fassadenstudien und Bleistiftskizzen des Architekten, stellt trotz oder gerade durch die Absenz der klassischen Präsentationsmittel die Frage nach den elementaren Qualitäten von gebautem und durch die Bauten gebildetem Raum. Es sind diese Themen, die den Architekten Roger Boltshauser beschäftigen, die sich in seiner Architektur widerspiegeln und die er nun in den Räumen des Galeristen Ulrich Müller mit den Betrachtern diskutieren möchte. Raum, Materialität und die Lebendigkeit differenzierter Oberflächen: Die Abwesenheit heute gängiger Darstellungsmethoden lässt uns genauer hinschauen. Da sind zum einen die Bilder von Philipp Schaerer: Auf den ersten Blick sehen sie aus wie klassische Architekturaufnahmen, tatsächlich sind es jedoch Bildmontagen, konzentriert auf die Fassaden der Bauten Boltshausers. Die über die Wandflächen verteilten grossformartigen Abbildungen sind in massiven Stahlrahmen befestigt, die drehbar gelagert, gleich einem überdimensionalen Buch bis zu sechs Bilder auf ihren Vorder- und Rückseiten aufnehmen. Schaerers Bilder – die durch die Montage unzähliger Aufnahmen den Fassaden die Tiefe nehmen und durch die Absenz jegliches Schlagschattens ihre räumliche Struktur überbetonen – offenbaren die Stärken dieser Architektur. Die Bauten von Roger Boltshauser sind präsent, ohne sich aufzudrängen. Ihre differenzierte Modellierung und Materialisierung macht sie erleb- und erfahrbar, ihre Fassaden sind raumbildend.
Die weiteren Ausstellungsobjekte variieren dieses Thema. In der Mitte des lang gezogenen Ausstellungsraums liegen die Bronzereliefs „Learning from Como“ und „Learning from Paris“, Abgüsse von Fassaden, den Negativraum darstellend, den sie bilden. Schliesslich, als drittes Element und diesmal vom Architekten, sind Handzeichnungen in Bleistift auf Papier ausgestellt, die in einer einzigen Linienführung Fassadenausschnitte modellieren.
Die leise Irritation, die die Bilder von Philipp Schaerer beim Betrachter auslöst, die differenzierte Modellierung des Fassadenraums der Bronzereliefs, die leichte, flüchtige Linienführung der Skizzen, die das Entstehen der Bauten, Elemente und Fassaden im Gedanken begleiten, all dies gibt den Bauten Roger Boltshausers, obwohl nicht direkt abgebildet, eine unmittelbare Präsenz.
In ihrer Materialität, der Differenzierung der Oberflächen, der Komposition der Elemente, schaffen sie Bezüge zum jeweiligen Ort und haben so gar nichts mit den schnellen, glatten Hüllen und Räumen gemein, die uns zunehmend umgeben. Es sind Fassaden geschaffen für das physische Erleben von Raum – es sind Raumchoreografien. Und da man Choreografien nicht abbilden kann, ist die Ausstellungskonzeption nur konsequent. Sie verweigert sich dem direkten Abbild und lässt uns gerade auf diesem Weg die Architektur in ihrer Vielschichtigkeit entdecken.