Die Architektur Galerie Berlin zeigt derzeit eine kleine, aber wichtige Ausstellung des türkischen Büros Tabanlıoğlu Architects. Es geht um nichts weniger als den Umbau des Atatürk-Kulturzentrums (AKM) am Taksim-Platz in Istanbul. Um dieses Gebäude ist es in letzter Zeit still geworden, aber zu Zeiten der Proteste im benachbarten Gezi-Park stand es im Mittelpunkt der Medienbetrachtung. Die Protestierer hatten es gleich mitbesetzt und benutzten seine Fassade als Display ihrer Botschaften. Die AKP-Nationalregierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan an ihrer Spitze war davon – wie von den Aktionen im Gezi-Park selbst – wenig amüsiert. Empört berichteten westeuropäische Medien damals von den Abrissvorhaben der türkischen Regierung. In der Tat waren Erdoğans Pläne zum Bau eines Einkaufszentrums anstelle des Parks der Auslöser für die Proteste, die dann das ganze Land erschütterten. Das Atatürk-Kulturzentrum betrafen diese Pläne damals nicht, obwohl es kein Liebling der AKP-Regierung war, schließlich galt es lange als Symbolbau für die moderne Ausrichtung der Türkischen Republik – so etwas wie der „Palast der Türkischen Republik“.
Aber Murat Tabanlıoğlu hatte den Verantwortlichen bereits zu dieser Zeit eine Zusage zur Erneuerung des Gebäudes abgerungen. Sein Vater Hayyati Tabanlıoğlu hat das Kulturzentrum ursprünglich entworfen und gleich zweimal hintereinander bauen müssen. Kurz nach der ersten Eröffnung 1969 war es fast vollständig ausgebrannt und musste komplett neu aufgebaut werden (1977). Dies steht nun wieder bevor: Staatspräsident Erdoğan verkündete Anfang November 2017, dass das in den vergangenen Jahren arg in Mitleidenschaft gezogene Gebäude wiederaufgebaut werden soll. Faktisch wird es ein Neubau sein. Die Videoaufzeichnung eines Drohnenflugs um das Gebäude zeigt den ruinösen Zustand eindrücklich.
Wer, wenn nicht Murat Tabanblıoğlu kann für die Detailtreue zum Original bürgen? Alexander Schwarz, Partner im Büro David Chipperfield Architects, sprach zur Eröffnung der Ausstellung von einer dritten Wiederaufführung des Hauses. Murat Tabanlıoğlu hat aber noch Größeres vor: Das Kulturzentrum wird deutlich erweitert. Der Ursprungsbau am Taksim-Platz wird eine große Oper. Die Originalfassade wird so rekonstruiert, dass sie den mit roter Keramik verkleideten Saal transparent nach außen sichtbar macht und gleichzeitig zu einer Medienfassade wird. Die weiteren Funktionen des Kulturzentrums wie Kunstgalerie, weitere Aufführungssäle, Café, Restaurant und dergleichen werden in einem neuen Trakt nördlich angebaut. Damit erweitert sich das AKM bis an die Atatürk-Bibliothek heran, die der Architekt Sedad Hakkı Eldem 1973–1975 errichtet hatte. Dieses wunderbare Zeugnis brutalistischer Architektur bekommt so eine höhere Aufmerksamkeit und wird vor einem unter Umständen verhängnisvollen Dornröschenschlaf bewahrt.
Mit Originalmaterialen, zeitgenössischen Zeitschriften, Büchern und Broschüren, mit Teilen aus der Fassade und der Einrichtung sowie originalen Film- und Tondokumenten führt uns die Ausstellung nicht nur in die umfassende Geschichte des AKM ein, sie vermittelt auch die Atmosphäre des damaligen Aufbruchs in ein neues Zeitalter. Mit dem nun beschlossenen Neubau des Atatürk-Kulturzentrums beginnt wiederum eine neue Epoche, in der die Geschichte des Gebäudes aber präsent bleiben soll. Aus der Gegenüberstellung der Materialen aus dem bestehenden Gebäude mit den neuen bzw. wiedergefundenen Materialen des geplanten Baus spricht die Kontinuität in der Architektur und der Baustoffe. Modelle des alten und des neuen Kulturzentrums sowie eine Videoanimation machen auf engstem Raum die Tragweite des Projekts deutlich.
2019 soll das neue Atatürk-Kulturzentrum fertig sein. Auch das ist ein großes Vorhaben. Wenn es realisiert wird, bekommt Istanbul eine Ikone seiner modernen Architektur zurück.
Bauwelt 8.2018 Schlüssel zur modernen Türkei – Eine Ausstellung von Murat Tabanlıoğlu zum Atatürk-Kulturzentrum in der Architektur Galerie Berlin
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