Architektur Galerie Berlin

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Oktober 2020
Kapitalismus und Kontemplation

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Zur Ausstellung „Christoph Hesse – Open Mind Places“

In vielen westlichen Ländern hat der materielle Lebensstandard der meisten Menschen einen nie gekannten Höchststand erreicht. Parallel zu den beinahe unbegrenzten Konsummöglichkeiten versprechen die digitalen Medien eine goldene Zukunft mit unbegrenztem Kontakt- und Informationsaustausch. Dieser Status quo wird begleitet von der Tatsache, dass die Mehrheit von uns die längste Periode der Menschheit im Frieden erlebt – welch ein Geschenk!

Der Preis für diesen Erfolg mit seinen zweifellos faszinierenden Potentialen ist jedoch hoch. Die ausschließlich profitorientierte kapitalistische Maschine saugt nicht nur hemmungslos den Planeten aus, sondern auch seine Akteure. Die Konsequenzen des pausenlosen „Schneller, höher, weiter“ kennt jeder: Die Fülle digitaler Informationen mutiert zum manipulativen Dauerbeschuss, die große Zahl von „Freunden“ bedingt eine enorme Verflachung der Beziehungen und das Versprechen ständiger Erreichbarkeit führt zur substanzverzehrenden Dauerpräsenz. Nicht zuletzt empfinden viele Menschen die zunehmende Naturentfremdung als substanziellen Verlust.

Christoph Hesse hat diese Entwicklung zum Anlass genommen für seinen Heimatort Referinghausen das Projekt „Open Mind Places“ zu entwickeln. Es besteht aus 9 naturnahen „Follies“, die Besucher und Wanderer gleichermaßen zum Innehalten, Nachdenken und Austausch über Themen wie die Bestimmung des eigenen Lebens, den Respekt gegenüber den Mitmenschen und die Achtsamkeit gegenüber der Natur einladen. Da für das Projekt kein Budget zur Verfügung stand hat Hesse die Follies als einfache Konstruktionen aus lokal verfügbaren Materialien konzipiert, die mithilfe seiner Familie, Anwohnern und befreundeten Handwerkern ehrenamtlich errichtet werden konnten.

Für die Galerie ist die Ausstellung der „Open Mind Places“ eine wichtige Facette im Diskurs über die Rolle und Aufgaben zeitgenössischer Architektur. Denn jenseits der durch global agierende Architekturfirmen geprägten, primär marktorientierten Tendenzen sind Initiativen und Projekte wie die von Christoph Hesse enorm wichtig. Sie zeigen, dass es nicht nur alternative Ideen und Lebensmodelle gibt, sondern dass sich das Engagement dafür auch lohnt. Umso mehr, wenn sie eine Architektur generieren, die das Verhältnis zwischen Kunst und Natur perfekt ausbalanciert.