Jury: Marianne Burkhalter, Regula Lüscher, Ulrich Müller
Begründung
Xu Tiantian bezeichnet ihre Arbeit als „Strategie der Nadelstiche“. Mit dieser Arbeitsweise stimuliert und befeuern sie und ihr Team die erfolgreiche Revitalisierung ländlicher Gegenden in der chinesischen Provinz Zhejiang seit nunmehr fast 20 Jahren. Grundlage dieser Erfolgsgeschichte ist die Verschmelzung der komplexen Aspekte zeitgenössischen Bauens zu einer beispielhaften Synthese.
Ihre präzisen Interventionen zeugen von einem profunden Wissen über die Geschichte des Ortes, in dem historische, soziale, ökonomische und kulturelle Aspekte gleichberechtigte Bausteine sind. Parallel dazu ist die Partizipation der Bewohnerinnen und Bewohner von tragender Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um gestalterische Fragen, sondern vor allem auch um das Generieren neuer Einkommensquellen auf der Grundlage lokaler Traditionen und in Vergessenheit geratener Gewerbe. Das Moderieren dieser sehr verschiedenen Einzelaspekte gelingt mit einem bewundernswert hohen Maß an Ausdauer und sozialer Kompetenz.
Die architektonische Umsetzung der daraus gewonnenen Erkenntnisse erfolgt mit einem überragenden Gespür für gestalterische Lösungen. Hier erreicht Xu Tiantian mit wohldosierten, oft kleinteiligen Eingriffen enorme Qualitäten. Bemerkenswert dabei ist die Verbindung zeitgenössischer mit traditionellen Technologien und Materialien, die das Verhältnis zwischen Tradition und Moderne perfekt austariert. So entstehen Gebäude mit starken Identitäten, die oft wie Bühnen für die Nutzerinnen und Nutzer sowie ihr neues Selbstbewusstsein fungieren und an vormals verlassenen Orten entwickelt sich neues Leben mit Raum für soziale Interaktion. Allen gemeinsam ist eine wunderbar konkrete und zugleich nachhaltige Architektursprache.
Xu Tiantian´s Projekte sind in die lokalen politischen Rahmenbedingungen eingebettet. Dennoch stellen sie beispielhafte Lösungen für die weltweit durch Landflucht und gesellschaftliche Transformation hervorgerufenen Herausforderungen dar. Sie ermutigen Architektinnen und Architekten ebenso wie Nichtfachleute bei ihrem wichtigen Engagement für eine neue Balance zwischen Stadt und Land. Die kongeniale Verbindung von sozialem Engagement und gestalterischer Qualität stellt einen Prototyp für die Zukunft zeitgenössischer Architektur dar.
