Bauwelt 16.2020
The Architects Are Present. Die Rotterdamer MVRDV haben sich in der Architektur Galerie Berlin eingerichtet
Von Jan Friedrich

Review

Ja, das niederländische Büro MVRDV eröffnet im Herbst neben seinem Stammsitz in Rotterdam und den Dependancen in Paris und Shanghai auch eine Filiale in Berlin. Aber nein, nicht in der Karl-Marx-Allee 96. Dort befindet sich nach wie vor die Architektur Galerie Berlin. Auch wenn es gerade nicht so aussieht: In dem zurzeit rundherum orangefarbenen Galerieraum – Wände, Decke, Teppichboden, selbst die Heizungsrohre: alles Orange – sitzen an einem großen Schreibtisch (Orange) zwei junge Frauen vor Computerbildschirmen. Als zufälliger Passant vermutet man, dass die beiden hier arbeiten. Ein Architekturbüro? Jedenfalls legen das die Motive der zahllosen Fotos, Renderings und Zeichnungen nahe, die an den Wänden hängen; ein Modell steht auch auf einem Regal. Das Bild ist vertraut, vor allem aus den Jahren, als viele leerstehende Läden als Büros zwischengenutzt wurden.

Es ist frappierend. Obwohl ich ganz sicher weiß, dass dies nach wie vor die Galerie ist, in der ich zur Besichtigung der MVRDV-Ausstellung verabredet bin, zögere ich instinktiv. Die sonst deutlich erkennbare Grenze zwischen halböffentlich (Galerie) und privat (Büro) verläuft bei dieser Inszenierung nicht mehr trennscharf. Kann man da einfach reingehen? Stört man die nicht bei der Arbeit? Man kann reingehen. Und ja, man stört sie auch bei der Arbeit. Denn tatsächlich sind die beiden jungen Frauen keine ArchitektinnenPerformerinnen, sondern Mitarbeiterinnen von MVRDV, die in der Ausstellung ihrer Architektinnen-Tätigkeit nachgehen. Die Galerie ist ein temporäres „open office“. Also: Die Schwellenangst überwinden und die beiden ruhig darüber ausfragen, was es mit dem orangefarbenen Raum auf sich hat, und über die Projekte, die auf den Wänden verteilt sind!

Dann erfährt man, dass der Ausstellungsraum inklusive dem Tischmodell, an dem die Architektinnen arbeiten, dem Workshopraum des Rotterdamer Büros nachempfunden ist. Und an den Wänden finden sich sämtliche – auch viele nie publizierte – Bauten und Projekte von MVRDV in Deutschland, angefangen vom „Berlin Voids“- Entwurf des Europan-Wettbewerbs, den Winy Maas, Jacob van Rijs und Nathalie des Vries 1991 gewannen, bis hin zum aktuellen Vorhaben zu Sanierung und Umbau des lange ruinösen Expo2000-Pavillons in Hannover, mit dem MVRDV einst der internationale Durchbruch gelang.